10 Jahre European Route of Megalithic Culture
Vorgeschichtliche Bauwerke aus ungewöhnlich großen Steinen üben seit Jahrhunderten eine besondere Faszination aus. Vor allem dort, wo sie sich abseits der urbanen Zentren in urwüchsig anmutender Natur erhalten haben, gelten sie allgemein als Symbol eines noch im Dunkeln liegenden Teils unserer Geschichte. Es gab unzählige Versuche, den „Geheimnissen“ dieser archaischen Monumente auf die Spur zu kommen, sowohl von ambitionierten Heimatforschern als auch von anerkannten Wissenschaftlern. Doch im Kern scheint bei den meisten Besuchern das Interesse an der mystischen Seite unserer Vergangenheit im Vordergrund zu stehen. Dort, wo es gelungen ist, diese Faszination an ausgewählten Standorten der Megalithkultur zu erhalten, sind in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche kleinräumige touristische Angebote entstanden. Anfang 2006 haben verschiedene Tourismuseinrichtungen in Nordwestdeutschland gemeinsam versucht, die Vielzahl dieser Angebote miteinander zu verbinden und eine großräumig verlaufende touristische Route zu konzipieren. Es entstand die „Straße der Megalithkultur“, bestehend aus 33 Einzelstationen mit insgesamt 78 megalithischen Bauwerken auf einer Gesamtstrecke von 330 km. Bereits damals stand bei der Namensgebung der Gedanke im Vordergrund, dass das Routenkonzept auch in den europäischen Raum übertragen werden sollte und sich daher der Name dieser Route auch für den internationalen Sprachgebrauch eignen müsste.
Als am 14. Mai 2009 die „Straße der Megalithkultur“ feierlich eröffnet wurde, waren zugleich zahlreiche Einzelmaßnahmen abgeschlossen:
- Ausschilderung der Gesamtstrecke in beide Richtungen einschließlich eines kleinteiligen Systems an Sonderwegweisern zu den Einzelstationen und Parkplätzen
- Verbesserung der Aufenthaltsqualität an den Einzelstationen durch das Aufstellen von Sitzbänken und dem Einrichten von Picknickstellen
- Aufbau eines mehrteiligen Informationssystems, bestehend aus großformatigen Informationstafeln, Reiseführer, touristischer Autokarte und navigationstauglicher Website.
- projektbegleitende wissenschaftliche Studien aus den Bereichen Tourismus, Archäologie, Astronomie, Ethnologie sowie Marketing und Vermittlung
- Fortschreiben der Grundkonzeption durch Anfertigung eines fachlich fundierten touristischen Masterplans einschließlich Vorschlägen für einen Ausbau der Angebote vor Ort.
Kurz zuvor fand bereits der erste konkrete Vorstoß in Richtung des Ausbaus der „Straße der Megalithkultur“ zu einer europäischen Megalithroute statt. Wichtigster Impulsgeber war Klaus de Laak, ein bedeutender emsländischer Dokumentarist und Lokalhistoriker, heute Ehrenmitglied von Megalithic Routes. Er vermittelte den Kontakt zum „European Institute of Cultural Routes“ (EICR), das zu einem ersten persönlichen Informationsgespräch am 19. Februar 2009 in Luxemburg einlud. Maßgeblichen Anteil am Aufbau eines internationalen Routenprojektes hatten bereits damals Bodo Zehm, damaliger Leiter der Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück, sowie Günter Droste, Geschäftsführer des Tourismusverbands Osnabrücker Land e.V.. Für die weiteren Ausführungen, die zu einer Anerkennung der „Straße der Megalithkultur“ als „Kulturroute des Europarats“ führen sollten, kam die Kunsthistoriker und Archäologe Stefanie Hauf hinzu. Gemeinsam organisierten sie ein erstes Treffen von Interessenten aus den Niederlanden, Schweden, Dänemark und Deutschland am 18. Februar 2011 in Kopenhagen. Gastgeber war das dänische Nationalinstitut für Denkmalpflege. Daran schlossen sich weitere intensive Beratungen an, u.a. über den Aufbau eines europaweiten interdisziplinären Megalith-Netzwerks, über Fragen zur touristischen Infrastruktur und über museale Vermittlungsmöglichkeiten im Umfeld der Megalithmonumente. Es war eine stürmische Aufbauphase, in der die Gründung eines internationalen Vereins zur Koordinierung und Umsetzung der von den Beteiligten vorgeschlagenen oder beschlossenen Maßnahmen von besonderer Dringlichkeit war. Am 23. August 2012 war es dann soweit: Auf der Grundlage einer Vereinssatzung nach deutschem Recht mit einem Geltungsbereich für internationale Vereine gründeten Vertreter von Kultur- und Tourismuseinrichtungen aus 4 verschiedenen europäischen Ländern in Falköping/Schweden den internationalen Verein „Megalithic Routes“. Bei den Gründungsmitgliedern handelte es sich um Danish Agency for Culture and Heritage (DK), Museerne Vordingborg (DK), Hunebedcenter Borger (NL), Geopark de Hondsrug (NL), Falbygdens Museum (S), Naturwissenschaftlicher Verein Osnabrück e.V. (D), Archäologischer Arbeitskreis Osnabrück e.V. (D), Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück (D), Naturpark TERRA.vita e.V. Osnabrück (D). Zur Führung des Vereins wurde folgender Vorstand gebildet:
- 1. Vorsitzender: Bodo Zehm, Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück (D)
- 2. Vorsitzender: Kristoffer Buck Petersen, Museum Vordingborg (DK)
- Schatzmeister: Hein Klompmaker, Hunebedcenter Borger (NL)
- Schriftführer: Peter Jankavs, Falbygdens Museum (S)
Die Geschäftsführung wurde in die Hände von Daniela Stefanie Hauf, Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück (D), übertragen.
Es folgte eine intensive Vorbereitung der Antragstellung an das „Enlarged Partial Agreement“ (EPA) des Europarats, das für die Ernennung von Kulturrouten des Europarats zuständig war. Hauptbestandteile des Antrags waren eine ausführlichen Projektbeschreibung und –dokumentation, ein Corporate Design mit einem offiziellen Routenlogo, eine Imagebroschüre und eine Website. Darüber hinaus musste eine bedeutende Person des öffentlichen Lebens zur Übernahme der Schirmherrschaft über das Routenprojekt gewonnen werden. Dr. Hans-Gert Pöttering, ehemaliger Präsident des Europaparlaments, erklärte sich gerne bereit, dieses repräsentative Amt zu übernehmen.
Noch vor Ablauf des Jahres 2012 konnten alle für die Antragstellung erforderlichen Unterlagen dem EICR in Luxemburg zur Begutachtung vorgelegt werden. Dort fand auch am 14. April 2013 die Abschlusspräsentation vor den Delegierten des EPA statt mit dem Ergebnis, dass das Vorhaben aus Sicht des EPA die Voraussetzungen für eine Anerkennung als „Cultural Route of the Council of Europe“ in vollem Umfang erfüllt. Zur offiziellen Übergabe der Anerkennungsurkunde richtete das dänische Nationalinstitut für Denkmalpflege am 27. August 2013 einen Festakt auf der Insel Møn vor der eindrucksvollen Kulisse des Megalithgrabs Klekkendehøj aus. Die damalige Direktorin des EICR, Penelope Denu, übergab hier das Dokument an den 1. Vorsitzenden von Megalithic Routes Bodo Zehm. Mit dabei war auch die dänische Kulturministerin Marianne Jelved, die die Zertifikatsüberreichung zum Anlass nahm, die „European Route of Megalithic Culture“ an diesem Ort symbolisch zu eröffnen.
Wenige Wochen später, am 21. September 2013, wurde bereits einer der ersten Beschlüsse von Megalithic Routes umgesetzt. An diesem Tag, dem „Tag der Megalithkultur“, sollten alle Mitgliedseinrichtungen an ausgewählten Standorten einzelne Aspekte aus der großen Palette der europäischen Megalithkulturen einem breiten Publikum näher bringen. Als Zeichen der gemeinsamen Vorgehensweise sollten alle Veranstaltungen unter dem gleichen Motto stehen. 2013 lautete das Motto „Myths and Legends“. Ab 2014, so die weitere Planung, sollte dieses Event jährlich am letzten Sonntag im April stattfinden und damit einen festen Platz im Veranstaltungskalender aller Mitgliedseinrichtungen bekommen.
Die intensiven Kontakte, die sich im Laufe des Anerkennungsverfahrens zwischen der Geschäftsstelle von Megalithic Routes in Osnabrück und dem EICR ergeben haben, wirkten auch 2014 noch nach. So wurde für die erste offizielle Journalistenreise auf den Spuren einer europäischen Kulturroute die European Route of Megalithic Culture ausgewählt. Ein Fotograf aus Spanien, ein Video-Blogger aus Italien, eine Text-Bloggerin aus Norwegen und eine EICR-Mitarbeiterin aus Russland besuchten vom 26. – 28. April verschiedene Mitgliedseinrichtungen und –veranstaltungen, so auch den „Tag der Megalithkultur“ im Oldenburger Land, als dort die offizielle „Radroute der Megalithkultur“ eröffnet wurde. Im Zuge ihrer Arbeit entstanden eindrucksvolle, z. T. künstlerisch gestaltete Bild-, Text- und Tondokumente, die die hohe Bandbreite der Denkmale der Megalithkultur als Mittler zwischen den Höhepunkten der europäischen Kulturgeschichte, ihren besonderen Spielarten und den Bemühungen der lokalen Akteure um öffentlichkeitswirksame Darstellung und Vermittlung deutlich machten.